Nachrichten Ansicht

News

01.02.2020 Kategorie: Angedacht

Vaterfreuden

Als Derek Redmond 1988 zu seinen ersten Olympischen Spielen nach Seoul fährt, ist er britischer Rekordhalter über 400 Meter. Doch in Südkorea verletzt er sich anderthalb Minuten vor seinem ersten Lauf an der Achillessehne. Als er 1992 zu seinen zweiten Olympischen Spielen nach Barcelona fährt, hat er acht Operationen hinter sich und ist in der Vorbereitung sehr gute Zeiten gelaufen. Diesmal scheint alles zu passen. Bestzeit im ersten Lauf. Sieg im Viertelfinale. Nur noch dieses Halbfinale, dann winkt eine Medaille im Endlauf.

Er kniet sich an diesem sonnigen Augusttag optimistisch in den Startblock. Der Startschuss fällt, Redmond geht schnell an, bei 100 Metern liegt er auf Platz zwei, bei 200 Metern sieht es immer noch sehr gut aus. Bei 250 Metern stoppt er plötzlich in vollem Lauf, humpelt, hält sich den rechten Oberschenkel, geht in die Knie, hockt einfach da. Während das Feld unbeirrt weiterrennt Richtung Ziel, fängt die Kamera das schmerzverzerrte Gesicht des Verletzten ein. Verzweifelt kniet Redmond auf der Bahn und weint. Niemanden würde es wundern, wenn er jetzt aufgibt. Aber das Publikum erhebt sich und klatscht, feuert ihn an. Der Brite steht auf und beginnt zu hoppeln. 20 Meter, 30 Meter. Er bleibt auf seiner Bahn fünf und humpelt dem Ziel entgegen.

Dann wird es noch dramatischer: Ein Mann ist von der Tribüne auf die Tartanbahn geklettert und rennt Derek Redmond hinterher, der mittlerweile auf die Zielgerade humpelt. Ein Ordner versucht den Mann mit dem Basecap zu stoppen, doch der schüttelt ihn einfach ab. Ordner wollen ihn aufhalten, aber er lässt sich nicht stoppen. Als er bei Redmond ist, legt er ihm den Arm um die Schultern, stützt ihn und läuft neben ihm her. Es ist Jim Redmond, der Vater des Pechvogels. Er will diesen Weg zusammen mit seinem Sohn gehen, er will für ihn da sein. Deshalb hat er die Stewards abgeschüttelt wie lästige Fliegen, deshalb hält er jetzt Dereks Arm und redet auf ihn ein. Tröstet ihn. Klopft stolz auf seine Brust und jubelt jenseits der Ziellinie ins Publikum, während sein Sohn hemmungslos weint.

Für mich ist diese Szene immer wieder ein starkes Bild für die Vaterliebe Gottes. Auch wir rennen durch unser Leben, verletzen uns, scheitern, erreichen unsere Ziele nicht, fühlen uns allein gelassen. Aber dann spüren wir einen starken Arm, der uns aufrichtet, tröstet, anfeuert, stärkt, liebevoll auf unsere Brust klopft und am Ziel stolz die Faust in die Luft streckt.

Bernd Kasper / www.pixelio.de

Beitrag von Pastor Frank Wesemann
Dateien:
Vaterfreuden.pdf